Eine alte Welt

Der Planet, von dem wir kamen, war seit nunmehr 300 Jahren bewohnt. Unsere Ahnen wurden damals im Projekt Genesis zu einem Planeten übergesiedelt, welcher ähnliche Bedingungen bot wie die Erde. Wir nannten ihn Genesis. Bis vor ein paar Jahren hatten wir immer wieder Nachrichten von der NASA Station auf der Erde erhalten. Doch inzwischen herrschte Funkstille. Die letzte Nachricht, die wir erhalten hatten, war ein Hilferuf. Es hieß: Helft uns! Danach kam nichts mehr.

Daraufhin reiste eine Besatzung als Vorhut zur Erde. Für die Besatzung dauerte diese Reise acht Jahre. Für die Erde waren inzwischen jedoch einige Jahrzehnte verstrichen. Mit ein paar Tagen Abstand folgte uns ein großes Rettungsschiff, die Orion 3. Unsere Aufgabe war es vorab die Lage zu beurteilen.

«Nur noch ein Tag und wir haben unser Ziel erreicht. Danach können wir zwischen all den Erdenmädchen auswählen. Ob sie wohl so hübsch sind, wie immer behauptet wird?» Janes fröhlich, optimistische Worte verursachten bei Karsten Augenrollen.

«Mich wundert ja schon, wie du die letzten acht Jahre abstinent gelebt hast.» Dabei seufzte Karsten theatralisch und fügte mit einem Grinsen hinzu: «Ohne uns angesprungen zu haben.»

Doch davon ließ sich Janes nicht von seinen Vorhaben abbringen oder sich auch nur die Laune davon verderben lassen.

«Hoffentlich verzögert sich dadurch unser Heimflug nicht. Im Zweifel würde ich dich ansonsten zurück lassen.», ließ sich Gregory, unser Arzt vernehmen.

«Hey, Captain.», rief Janes durch das ganze Cockpit. «Gregory würde mich zurücklassen. Dann komme ich zu spät zu meiner Rente.»

Nun rollte ich, Captain Sebastian, ebenfalls mit den Augen. Ich hatte gehofft mich dazu nicht äußern zu müssen. «Keiner wird zurückgelassen. Und wir fliegen pünktlich heim. Und keiner löst einen Krieg mit unserer Heimatwelt der Erde aus.»

Die Erde war in Sichtweite.

«Sind wir hier richtig?», fragte Janes erschrocken.

Kurz blickte ich auf meinen Armcomputer. «Ja. Das hier ist die Erde.»

«Ich hatte sie mir blauer vorgestellt.»

«Wir haben drei Tage Zeit um herauszufinden, was passiert ist und ob und wo unser Mutterschiff landen kann.»

Die Erde war orange, kahl, und in der Nacht zuvor strahlten keine Lichter. Wieso war der Planet dunkel.

Wie war der Planet in diesen Zustand gebracht worden? Aber was wir hier sahen, ließ uns in stillem Entsetzen auf den ehemals blauen Planeten blicken. Als Vorhut mit einem kleineren Raumschiff, waren wir mit vier Tage Vorsprung vor der Hauptflotte auf unserem Heimatplaneten gelandet. Nur um der großen Flotte zu berichten, dass wir zu spät kamen.

Die alte Welt war karg geworden. Wir landteten in der Nähe einer der größten Städte landen, die die Welt besaß. Doch mein Blick sah nur Wüste. Keine Pflanze, kein Tier, kein Leben. Vor uns ragten Ruinen auf. Der Himmel war düster und es roch nach Rost. Wir konnten unsere Anzüge nicht ausziehen, da unsere Messinstrumente keine ausreichende Sauerstoffversorgung anzeigten. Die reinen Sauerstoffmasken würden nur einige Stunden halten. Doch so wie es aussah, würde das nicht reichen. Auch war der Ozonwert so hoch, dass die Schutzathmosphäre auf ein Minimum abgebaut war, um diese Werte zu verursachen. Es war besser auf Sonnenbrand zu verzichten.

«Ralf, wie sieht es mit einer Verbindung zur Orion 3 aus?»

«In der Umlaufbahn ist die Verbindung abgebrochen. Die Atmosphäre scheint das Signal zu stören. Woran es genau liegt kann ich im Moment noch nicht sagen.», antwortete Ralf.

«Ralf, bleib du bitte auf dem Schiff und halte die Verbindung zu unserem Mutterschiff. Solltest du nichts mehr von uns hören, dann verlasse in 90 Stunden diesen Planeten und fliege bis eine Kommunikation wieder möglich ist. Sie dürfen auf keinen Fall hier landen, wenn hier kein Treibstoff ist. Ansonsten stranden wir hier alle.»

«Eric, ein Techniker sollte mitkommen.»

Das Team, welches nun auszog ein Lebenszeichen zu finden waren Eric, unser zweiter Techniker, Karsten, unser Chemiker, Janes, unserem Kommunikationsspezialisten und einem Arzt, Gregory. Zuletzt war da noch ich, Sebastian. Ich leitete diese Unternehmung, als Captain.

«Home, sweet Home.», murmelte Eric in die Runde. «Die Begrüßungsparty wurde wohl verlegt?»

«Wir gehen zum Headquarter der NASA. Dort sollte sich auch ein Treibstofftank befinden. Von dort kam ebenfalls der letzte Hilferuf. Falls noch jemand lebt, werden sie sich dort aufhalten oder uns dort eine Nachricht hinterlassen haben. Packt alles zusammen, was wir brauchen könnten. Erste Hilfe, Seil, Sauerstoffmasken, Werkzeug, Sprengstoff. Wir sollten uns auf alles gefasst machen. Wer weiß, was auf diesem Planeten passiert ist.»

«Sind wir denn auf dem richtigen Planeten?», fragte Karsten.

Ich sah auf meinen kleinen Computer am Armgelenk. «Immer noch, ja», antwortete ich.

Der Land Rover war bepackt und die Mannschaft an Bord. Mühsam schob er sich durch die kahle Landschaft. Von der langen Reise hierher waren die Akkus entladen und die Sonneneinstrahlung reichte nicht aus, um den Akku mit genügend Strom zu versorgen. Die Sonne, die durch die diesige Atmosphäre drückte, genügte gerade um den Land Rover mit extremer Langsamkeit voran zu treiben. Allerdings nicht um die Solarzellen noch zusätzlich zu laden. Wir fuhren mit maximal 12 Kilometern die Stunde.

Die Ruinen waren mit rotem Sand bedeckt und die kleinen Gebäude hatten keine Fenster mehr. Alles Glas war weg. Keine Pflanze schlang sich um die Gebäude. Die Natur hatte aufgehört zu existieren. Alles was aus Holz war, vermoderte. Manche Gebäude waren noch als Läden zu erkennen. Als wir dort hinein gingen, sahen wir, dass keinerlei Waren mehr auslagen. Egal was hier passiert war, es war keine Katastrophe bei der die Menschheit direkt ausstarb. Sie hatten genügend Zeit alle Läden auf diesem Weg zu plündern.

Der Sand, auf dem wir liefen, staubte orange.

Eric sprach das aus, was wir alle dachten: «Wie sollte hier jemand überleben?»

«Gebt nicht die Hoffnung auf. Könnte sein, dass wir nur an einer unglücklichen Stelle gelandet sind», sagte ich statt einer direkten Antwort.

Mein Team sah mich zweifelnd an, sagte aber nichts.

Je weiter wir in die Stadt hinein fuhren, desto höher wurden die Ruinen. Dennoch blieb die Gegend gleich trist. Der Rover nahm immer mehr an Geschwindigkeit ab. Der bewölkte Himmel lud den Akku unseres Land Rover nicht ausreichend. Zudem lag die Straße vor uns unter jeder Menge Steine und Bruchstücke verborgen. Ein Vorankommen mit dem Rover war so gut wie unmöglich.

«Wie weit ist es noch bis zum NASA Headquarter?», fragte Eric.

Ich sah mich kurz um, und spähte zum nächsten Gebäudekomplex.

«Man kann es von hier aus schon sehen. Es sind noch circa 500 Meter. Wir gehen zu Fuß weiter. Es wird eh bald dunkel. Der Rover wird auf dem Rückweg wieder aufgeladen sein.»

«Was sollen wir mitnehmen?» Diese Frage kam von Eric.

«Verbandsmaterial, Lebensmittel, Wasser. Wir nehmen auch Waffen und Sprengstoff mit und zwei weitere Anzüge.»

Eric sah mich direkt an. «Du denkst wir finden hier noch jemanden – lebend?»

«Wir sollten auf alles vorbereitet sein.»

Innerhalb von zehn Minuten liefen wir voll bepackt zu dem großen Gebäude. Dennoch fühlte es sich an, wie ein mehrstündiger Gewaltmarsch. Meine Muskeln schmerzten und das Gewicht der Ausrüstung drückte mich schmerzhaft in den harten, unnachgiebigen Boden. Dem einzigen, dem das alles nichts ausmachte, war Gregory. Er hatte seine gesamte Zeit damit verbracht Bodybuilding zu betreiben. In diesem Moment beneidete ich ihn darum.

Die Strecke, die wir bewältigen, war zwar kurz, aber durch die erhöhte Schwerkraft fiel das Gehen schwer. Unser Planet war zehn Prozent kleiner, als die Erde. Und somit eine geringere Anziehungskraft.

Das NASA Headquarter ragte wie ein Gespenst vor uns auf. Es war früher einmal ein Glaspalast. Inzwischen sah man nur noch die viele Querstreben, die einen ungefähren Eindruck vermittelten, wie das Gebäude wohl ausgesehen hatte. Vielleicht fanden wir dort Antworten auf unsere Fragen.

«Wir teilen uns auf. Wir suchen jede Art von Lebewesen und Informationen, was hier passiert ist. Meldet euch, sobald ihr etwas davon gefunden habt.»

Ich wies jedem im Team eine Richtung zu, die er begann abzusuchen. Für mich selbst blieb das Untergeschoss.

Ich nahm die Steintreppe hinunter. Mit jeder Stufe tiefer, verschlang mich die Dunkelheit ein wenig mehr. Finster. Ich schaltete eine Taschenlampe ein und suchte meine Umgebung ab. An den Wänden hingen Lampen. Vielleicht hatte das Gebäude noch Strom. Suchend ließ ich meinen Blick über die Wände gleiten, um einem Schalter zu finden. Als ich ihn gefunden hatte, drückte ich ihn. Es passierte nichts.

Nun gut. Eben kein Strom.

Je tiefer ich eintauchte, desto enger wurden die Gänge. Teilweise waren die Betonwände noch von kleinem quadratischem Fließen abgedeckt. Der Rest von Ihnen lag am Boden. Meine Schritte knackten und knirschten. Immer wieder gingen Türen ab. Die meisten waren verschlossen oder dahinter verbargen sich nur Boiler und Serverräume. Dann piepste mein Armcomputer. Der Sauerstoffgehalt war hier auf einem Niveau, das Leben hier möglich machte.

«Hier unten ist der Sauerstoffgehalt niedrig. Aber man könnte hier überleben. Wie sieht es bei euch aus?»

«Hier oben ist die Luft wie draußen.»

Die nächste Tür, die ich öffnete, war ein Technikraum. Ein Stromschaltkasten lächelte mir entgegen. Ohne zu zögern, öffnete ich ihn und sah veraltete Schaltungen. Der Hauptschalter und einige anderen waren umgelegt.

«Ich habe hier einen veralteten Stromkasten gefunden. Wie bringe ich ihn wieder in Gang?»

«Sieh dich im Raum um. Sieht du dort einen Tank?», wies mich Eric an.

Suchend sah ich mich mit meiner Lampe um. «Ja.»

«Ist dort ein großer Knopf und ein Bedienpanel?»

Ein riesiger roter Knopf war zu sehen. Ohne auf eine direkte Anweisung zu warten, drückte ich diesen. Ein Motor sprang brummend an.

«Sehr gut. Hier oben ist teilweise der Strom da.», lobte Eric. «Im Sicherungskasten werden die restlichen Sicherungen abgeschalten worden sein. Schalte die restlichen Schalter ein.»

Bis auf drei Schalter, ließen sich die restlichen wieder einschalten. Das sollte genügen.

Der Raum erhellte sich und eine Lüftung sprang an.

Gar nicht so schwer, wie es im ersten Moment aussah. Ich schaltete meine Lampe aus und verstaute sie in meinem Anzug.

«Habt ihr oben Licht?»

Das Team meldete sich nacheinander. Alle bejahten.

Ich sah mich noch kurz in dem kleinen Raum um. Dabei fiel mein Blick auf den Boden. Ich bückte mich um das Entdeckte aufzuheben. Ein orangener Insektenpanzer. Der ganze Boden war damit bedeckt. Er hatte nichts weiter zu bieten. Ich wendete mich wieder dem Gang zu. Da fiel mein Blick auf eine Unregelmäßigkeit. Etwas, das ich in der Dunkelheit übersehen hatte. Eine Hand, die in den Flur hinein ragte. Ich ging etwas schneller auf die Hand zu. Die Tür war geöffnet und eine Frau lag bewusstlos im Rahmen. Ich kniete mich nieder, um mich zu vergewissern, ob sie noch lebte. Schwer zu sagen. Zumindest sah sie nicht verwest aus. Und dann erkannte ich, dass sie atmete. Nur ganz schwach hob und senkte sich ihr Brustkorb.

«Wir haben Zeitungsberichte und Pläne gefunden. Im Westflügel.» verkündete Janes.

«Wir treffen uns im Westflügel. Ich habe eine Frau gefunden. Ich bringe sie mit hoch. Gregory halte dich bereit.»

«Meins.» Janes Stimme klang fröhlich.

Ich zog eine Sauerstoffmaske aus meinem Anzug und befestigte sie auf ihrem Gesicht. Das Mädchen war hübsch. Sie war brünett und sah sehr schmal aus. Als die Maske saß, warf ich mir die Frau über die Schulter. Himmel, war sie schwer. Mit ihr stieg ich die Stufen hoch und nahm den Weg in den Westflügel. Vielleicht hätte ich doch einen von meiner Crew um Hilfe bitten sollen. Aber jetzt war das zu spät.

Als ich in Sichtweite war, kam Gregory direkt auf mich zu. Er nahm mir das Mädchen ab und legte sie auf eine Wärmedecke. Ihr Gesicht war grau.

Gregory sah sie kurz an und legte sie in die stabile Seitenlage. Gebannt sahen wir zu.

«Na, Janes. Jetzt kommst du doch noch zu deinem Date.», zog Karsten ihn auf.

«Kein schlechter Fang.», grinste Janes.

«Sie scheint durch die Unterversorgung an Sauerstoff in Ohnmacht gefallen zu sein. Je nachdem wie lange sie schon hier liegt, wird sie wieder aufwachen. Aber sie kann nicht von so weit gekommen sein. Die Verbrennungen im Gesicht und an der Schulter scheinen von der Sonne zu kommen. Schmerzhaft aber nicht tödlich.»

«Das klingt doch schon mal gut. Keine bleibenden Schäden.», antwortete Janes.

«Nicht ganz«, antwortete Gregory. «Welchen Grund sollte sie haben, sich dieser Atmosphäre ohne Schutz auszusetzten. Entweder sie hat etwas Furchtbares getan, oder man hat ihr etwas Furchtbares angetan.»

Kurz sah Gregory sie noch einmal eindringlich an. «Nach ihren Blutergüsse zu schließen, würde ich auf letzteres Tippen.»

Bei diesen Worten runzelte Janes die Stirn und sah sich das schlafende Mädchen genauer an. «Was sind das für Streifen?»

«Sieht aus, wie Peitschenhiebe.»

«Was?» Janes Gesichtszüge entgleisten. «Das ist wohl ein Scherz.»

Doch Gregory schüttelte nur ernst seinen Kopf.

Ich runzelte meine Stirn. Sie hätte uns vieles erklären können. Ich hoffte, dass sie bald aufwachte, um das nachzuholen.

«Wann wird sie aufwachen?» Mit diesen Worten sah ich Gregory direkt an.

«Jetzt gleich oder in ein paar Stunden.»

«Verstanden. Nun gut. Janes, was hast du gefunden?»

«Ich habe alte Zeitungen, Stadtpläne und ein paar Anweisungen gefunden.»

Janes breitete alles sorgfältig auf einem großen steinernen Marmortisch aus. Er hatte fünf Leitartikel gefunden und ein paar Befehle auf Kopierpapier gedruckt.

«In dem letzten Befehl, hieß es, dass alle Überlebenden evakuiert wurden. Alle sollten ins Pentagon umgesiedelt werden. Ich denke, dass sie von dort gekommen ist. Auf dem Stadtplan sieht man, dass es nicht weit entfernt ist. Solange die Brücke noch steht, sind es nur ein bis maximal zwei Kilometer.»

Ich las laut die Titel der Zeitungen vor: «Heuschrecken vertilgen 90% der Ernte. Globale Hungersnot rottet ganze Länder aus. Meere kontaminiert! – Massentiersterben im Ozean. Rinderseuche vernichtet Rinderbestand. Ozonlöcher vergrößern sich drastisch. Vegetation stirbt. »

«Es sieht so aus, als ob man den Planeten vollständig geplündert hätte», flüsterte Janes.

Zustimmend nickte ich.

«Es gibt noch Datenträger. Leider habe ich nichts dabei mit dem wir die Daten auslesen können. So einen antiken Anschluss gibt es nur noch in Museen», bemerkte Janes.

Auf unseren Planeten gab es entweder Clips, die mittels Magneten mit dem Computer verbunden wurden oder Nanostecker. Doch auch diese funktionierten nur mittels Magneten. Diese veralteten Stecker erwiesen sich als zu instabil und waren zu zerbrechlich.

«Wir sollten die Datenträger mitnehmen. Vielleicht können wir sie später auslesen.»

Ich bemerkte, dass es dämmerte. «Wir werden hier unser Lager aufschlagen und morgen weiter gehen.»

Alle wirkten erleichtert.

«Lichter ausmachen. Bevor wir nicht wissen auf welche Art von Menschen wir hier antreffen, sollten wir eine Begegnung vermeiden. Eric. Versuch Ralf zu erreichen.»

«Nur Rauschen,Boss.»

Wir errichteten in Kürze ein dichtes Zelt, dass mit Sauerstoff befüllt wurde. Darin verbrachten wir die Nacht.

Die Nacht war unruhig. Als die Sonne unterging, hörte man, dass der Planet nicht unbewohnt war. Die Geräusche waren nicht einzuordnen. Sie waren laut und knirschend. Es klang wie ein metallisches Schaben. Aber sie klangen nicht richtig bedrohlich. Sie waren weit weg und kamen nicht näher. Egal was hier gespielt wurde, morgen würden wir es wissen. Die Geräusche verstummten in der Nacht. Danach gab es kein Geräusch. Darüber schlief ich ein und bis zum Sonnenaufgang durch.

Bei Tagesanbruch war Eric hellwach und hatte Spaß daran den Wecker zu spielen. Während die anderen halbwegs wach wurden, durchsuchte Eric noch das restliche Areal. Der Tank der für das Mutterschiff zum Starten benötigt wurde, war bisher nicht aufzufinden gewesen.

Schlaftrunken brauchten wir alle noch einige Momente um ganz wach zu werden. Ich sah auf das schlafende Mädchen. Sie war immer noch sehr fahl. Auch wenn sie nicht mehr ganz so aschgrau, wie gestern aussah. Aber ihr Brustkorb hob und senkte sich nun etwas kräftiger.

«Schlechte Nachricht.», verkündete Eric über unsere Funkverbindung.

«Inwiefern?», hakte ich nach.

«Ich habe den Tank gefunden. Aber er ist leer.»

«Wir müssen versuchen die Orion 3 zu warnen. Janes, versuch Ralf zu erreichen, damit er diese Nachricht weitergeben kann!»

«Momentan ist keine Verbindung möglich. Aber ich versuche es weiterhin.»

«Eine Anweisung aus den Dossiers war es alle Treibstoffvorräte in das Pentagon zu schaffen. Vielleicht ist dort noch genügend übrig.», schlug Eric vor.

Kurz überschlug ich die benötigte Zeit. Es würde knapp werden, aber es wäre möglich.

«Dann sollten wir so schnell wie möglich los. Wir stecken sie in einen Anzug. Und brechen auf.«

Innerhalb von fünfzehn Minuten war alles gepackt und wir gingen in Richtung Pentagon weiter. Wir teilten uns die Aufgabe, Dornröschen zu tragen. Für einen alleine wäre diese Strecke nicht machbar gewesen.

Wir hatten Glück. Die Brücke war noch intakt auch wenn der Beton bröckelte. Trotz allem waren wir sehr langsam unterwegs. Wir erreichten das Pentagon erst gegen Nachmittag. Dass diese Strecke so lange dauerte, hatten wir nicht erwartet. Wir gingen gemeinsam in das Gebäude. Das Erdgeschoss war menschenleer und sah sauber aus. Kein orangenes Insektenpulver lag auf dem Boden. Es sah sauber aus. Also gingen wir in das Untergeschoss. Dort sagte mir mein Computer, dass ein Luftgemisch vorlag, welches der Zusammenstellung meines Heimatplaneten nahe kam. Man konnte hier also leben. Nur wo blieben die Überlebenden?

«Hände hoch und nicht bewegen!», bellte jemand hinter mir diesen Befehl und bohrte mir etwas in den Rücken. Wahrscheinlich eine Waffe. Welch freundlicher Empfang.

Ich bedeutete meinen Männern sich nicht zu wehren. Wir wollten hier in keinen Kampf hineingezogen werden. Die Hoffnung auf einen friedlichen Ausgang gab ich im Moment noch nicht auf.

Wir wurden in einen nahe gelegenen Raum bugsiert und die Tür hinter uns verriegelt.

Das lief ja prächtig, dachte ich bei mir. Was ein Schlamassel.

«Was war denn das?», fragte Janes.

«Gute Frage«, antwortete ich.

«Wieso sollten wir uns nicht wehren?», fuhr Gregory auf. «Es waren nur zwei. Die hätten wir leicht überwältigt. Jetzt werden wir hier zurückgelassen, wenn Ralf in die Umlaufbahn fliegt.» Komplett wütend rannte er in dem kleinen Raum auf und ab und schlug letztendlich gegen die Wand.

«Beruhige dich. Wir kommen schon noch rechtzeitig zurück.»

«Wie denn?», fuhr Gregory panisch auf.

Mit einer Geste versuchte ich ihn zu beruhigen. Aber laut seinem grimmigen Blick, war diese Geste nutzlos.

Wir sahen uns den Raum genauer an. An der Eingangstür war ein elektronisches Kästchen in dem man eine Karte durchschieben konnte. Das Kästchen war wohl eine Art Türöffner. Die Wand war mit Platten abgedeckt. Jede Platte war circa 30 auf 30 Zentimeter groß. Sie waren an die Wand genagelt worden. Die Decke war massiv und aus Beton. Die Tür selbst war aus Stahl und steckte in einem Stahlrahmen. Es gab nur einen kleinen Luftschacht, der einen Durchmesser von 15 Zentimeter betrug.

«Sollen wir einen Ausbruch wagen?», fragte Eric. Er klang gelassen, als ob es gar kein Problem gab.

«Was?», fragte Gregory erstaunt und etwas ruhiger.

«Warten wir ab, was als Nächstes kommt. Wir sollten noch erfahren, was genau hier vorgeht. Wir haben einen Auftrag und den werden wir auch erfüllen. Vielleicht bekommen wir doch noch ein paar Antworten. Unsere Waffen haben wir ja auch noch.»

Wir warteten Stunden, bis sich die Tür öffnete und ein Mann im mittleren Alter ins Zimmer trat. Weiße Haare, eingefallene Wangen und sehr hager. An den vielen Falten, die sich durch sein Gesicht zogen, ließ sich erkennen, dass dieser Mann wohl schon viel mitgemacht hatte. Auf diesem Planeten zu leben war kein Zuckerschlecken. Die Männer, die hinter ihm eintraten waren ebenfalls schmächtig, aber noch nicht so alt. Ihre Kleidung war zerschlissen und die Haut, die man sah, war stark vernarbt. Seine Begleiter hielten sich im Hintergrund.

«Guten Tag, meine Herren. Lassen Sie mich Ihnen vorstellen. Mein Name ist Cyrian. Ich leite diese Institution. Es tut mir leid, dass wir Ihnen einen so ungemütlichen Empfang bereitet haben. Meine Leute sind sehr misstrauisch gegenüber Fremden. Wir hatten bisher keine guten Erfahrungen. Nun frage ich mich, aber mit wem ich es zu tun habe?»

«Wir sind von Genesis und sind einem Hilferuf der Erde nachgekommen«, begann ich. «Das hier ist Eric, Janes, Karsten und Gregory.» Ich deutete jeweils auf meine Männer. «Ich selbst bin Sebastian.»

«Erfreut euch kennen zu lernen.», dabei neigt er kurz den Kopf und lächelt. «Was für eine Rettungsmission?», hakte er nach. «Anscheinend hat es einen ihrer Männer umgehauen. Braucht er medizinische Hilfe?»

«Nein, es ist nur die Luft. Er kommt schon klar.»

«Wo genau ist Genesis?»

«Genesis ist ein Planet der von der Erde vor ein paar hundert Jahren besiedelt wurde. Bis vor ein paar Jahrzehnten war eine erfolgreiche Kommunikation möglich. Diese verloren wir und das Letzte was wir empfangen haben, war ein Hilferuf. Also wurde mein Team und ich geschickt um unserem Heimatplaneten beizustehen. War diese Welt schon immer so kahl?»

«Nein, die Welt hat sich gewandelt. Früher war sie fruchtbar und modern. Es gab viel Grün und die Tierwelt war vielfältig. Inzwischen gibt es weder Pflanzen noch Tiere. Zumindest keine mehr außerhalb dieses Gebäudes.«

Gespannt hörten wir Cyrian zu.

«Was ist hier passiert?»

Mit einer Handgeste bedeutete uns der hagere Mann Platz zu nehmen. Es handelte sich wohl um eine längere Geschichte.

«Eine gute Frage! Ich muss, um diese Frage zu beantworten, weit in der Geschichte zurückgehen. Es fing wohl mit der Klimaerwärmung an. Wir schafften es nicht diese zu stoppen. Daraufhin wurde unser Klima immer wärmer und verdorrte die Vegetation. Alle tiefer gelegenen Gegenden wurden überschwemmt. Der Wasserspiegel stieg und verschluckte ganze Kontinente. Kurz darauf löste der Klimawandel eine gewaltige Fluchtwelle aus. Milliarden Menschen verloren ihre Heimat und suchten in kälteren Ländern ein neues Zuhause. Zu dieser Zeit lebten fast zwölf Milliarden Menschen auf der Welt. Die Umweltverschmutzung war zu dieser Zeit enorm. Nahrung und Energie wurden davor schon rationiert. Das alles führte dann zu einem globalen Bürgerkriege. Speziell in Nordamerika und Europa. Dadurch dezimierte sich die Weltbevölkerung auf nicht mal ein Drittel. Durch die vielen unbeerdigten Toten konnte sich ein Virus ausbreiten den wir Xyco nannten. Er raffte weitere zwei Milliarden Menschen dahin. Das Virus sprang auch auf unsere Zuchttiere über. Ich denke, dass zu dieser Zeit auch noch das Signal an euch übersandt worden war. Danach wurden alle Weltraumprogramme eingestellt. Das ist inzwischen aber schon lange Zeit her.»

Er machte eine kleine Pause. Während seines Monologs sank er mehr und mehr in sich zusammen.

«Und hier züchtet ihr Tiere?», hakte ich nach.

«Beides. Wir sind hier eine eingeschworene Gemeinschaft. Erzählt mir nun etwas von eurem Planeten?», forderte uns Cyrian auf.

«Unser Planet ist noch im Aufbau. Wir sind umgeben von sehr vielen Pflanzen und Bäumen. Genesis ist etwas kleiner als die Welt und beherbergt nur etwa 4 Millionen Einwohner. Wir haben drei Monde, die ebenfalls besiedelt sind. Auf Ihnen wird unser Raumfahrtprojekt betreut.»

«Das klingt, als ob in eurer Welt noch alles in Ordnung ist. Gibt es eine Möglichkeit dorthin zu gelangen?», fragte Cyrian mit einem geheimnisvollen Lächeln.

«Das ist im Moment noch unklar. Wir suchten im NASA Gebäude nach einem Treibstofftank. Der es uns ermöglicht hätte zurück zu kehren. Doch er war geleert. Ist euch etwas bekannt darüber?»

Es war nicht ganz die Wahrheit was ich Cyrian lieferte. Doch ich hatte das Gefühl das die Ehrlichkeit auf beiden Seiten zu wünschen übrig ließ. Meine Truppe hielt sich aus diesem Gespräch heraus. Niemand zuckte auch nur mit der Wimper, als ich Cyrian Halbwahrheiten auftischte.

Kurz blitzte es bei dieser Frage in seinen Augen auf. «Leider, nein.»

Seine Leibwächter hinter ihm, blickten sich kurz an.

«Ist die Erde noch besiedelt. Außer diesem Gebäude?», fragte nun Eric.

«Nicht das wir es wüssten. Die Welt ist vollständig unfruchtbar geworden. Vielleicht eine Handvoll lebt noch. Aber sicher wissen wir nur, dass hier noch leben ist.»

«Wie viele leben hier noch?»

«Wir sind etwa noch hundert Menschen. Die Zahl sinkt. Die Zucht der Nahrungsmittel ist schwierig.»

«Inwiefern?», fragte ich neugierig.

«Sie sind teilweise krank. Sie stecken sich gegenseitig an und wenn wir sie essen, stecken auch wir uns an. Früher fischten wir mehr und setzten auf gezüchtete Insekten. Irgendwann kamen die Fischer nur noch mit leeren Netzen zurück. Die Insektenzucht nahm überhand und es passierte mehrfach, dass ganze Kulturen entkamen und einen großen Teil der Landstriche fraßen. Das Land um uns herum starb langsam.»

«Was sind die Auswirkungen dieser Krankheit?»

«Es begann mit kleinen Köpfen der Neugeborenen. Danach folgte Unfruchtbarkeit und Wahnsinn.»

«Kann man diese behandeln?»

«Nein.»

«Das tut uns leid. Aber wie kam es, dass die gesamte Vegetation starb? Ein Teil der Pflanzen hätte doch überleben müssen? » Diese Geschichte klang plausibel. Doch ein Teil fehlte.

«Als dann die Vulkane, einer nach dem anderen, anfingen Lava und Asche zu spucken, war dies der Todesstoß. Einige Monate gab es nur noch Dunkelheit. Das, was übrig blieb habt ihr gesehen. Seitdem bauten wir dieses Gebäude um, sodass wir genügend Luft und Nahrung haben. Sodass die wenigen, die noch von uns übrig waren, überlebten können.»

«Das tut uns leid«, sagte ich betroffen.

Er nickte kurz, um uns erkennen zu lassen, dass er verstanden hatte. Danach stand Cyrian auf und musterte uns einen nach dem anderen. «Ich werde meine Männer über euch informieren und dann können wir über euren Auftrag reden. Bis dahin würde ich euch noch um etwas Geduld bitten. Jemand wird euch essen bringen.»

Damit drehte er sich um und verließ den Raum. Seine zwei Begleiter folgten ihm und verschlossen die Tür.

Welch ein merkwürdiger Anführer.

Einen recht langen Moment war es still in unserer Zelle. Die Schritte verhallten draußen im Flur und waren bald nicht mehr zu hören.

«Glaubst du ihm?», wollte Karsten wissen.

«Ich glaube, er sagt nicht alles.» Ich konnte gar nicht sagen, ob oder was er verheimlichte.

«Was machen wir jetzt?», fragte Gregory.

«Wir warten ihre Antwort ab. Außer sie dauert zu lange. Dann brechen wir aus.»

«Und was machen wir bis dahin? Däumchen drehen?», fragte Gregory genervt. Seine Ungeduld konnte man ihm ansehen.

«Mich würde interessieren, warum ihr auf diese Reise mitgekommen seid? Vor allem du, Gregory. Da du den Anschein machst gar nicht hier sein zu wollen?», fragte Janes spitzbübisch.

Gregorys Gesicht verschloss sich.

«Ich fange an.», rief Karsten. «Ich will als Held heim kommen. Leider gibt es hier so gut wie nichts zum Retten. Vielleicht gibt es ja etwas zum abfackeln.», fügte er mit einem Seufzen hinzu.

«Ich wollte meiner Sammlung an Frauen eine Erdenbürgerin hinzufügen. Leider sieht mein Vorhaben eher undurchführbar aus.»

Das entlockte uns allen ein Lächeln.

«Ich wollte meinen Bruder Ralf nicht alleine lassen. Und er war nicht aufzuhalten von der Idee unseren Heimatplaneten zu sehen. Und jetzt sitzt er im Raumschiff und ich tingele mit euch durch diesen kargen Planeten.», erzählte Eric.

«Dieser Auftrag war meine Chance ein Captain zu werden.», gab ich zu.

Dabei sah mich meine Crew erstaunt an. «Was? Du weißt schon, dass du mit diesem Trip für dein Leben ausgesorgt hast. Für 16 Jahre arbeiten, bekommst du einen Lohn von mehreren Jahrzehnten?», rief Janes aus.

«Das ist uns allen bewusst.», flüsterte Gregory.

«Wieso hast du an dieser Unternehmung teilgenommen?», wollte ich von Gregory wissen.

Nach einer kurzen Pause flüsterte Gregory: «Meine Frau hat mich betrogen. Allerdings weigerte sie sich einer Scheidung zuzustimmen. Da sie ansonsten den Luxus den mein Verdienst ihr bot für sie nicht mehr aufrecht zu erhalten war. Durch dieses Programm indem wir mehrere Jahrzehnte unterwegs sind, wird automatisch eine Annullierung der Ehe erwirkt. Eine Einwilligung ist von beiden Seiten nicht mehr nötig. Es ist als wäre man nie verheiratet gewesen. Und ich hoffe sie zu sehen, wenn ich zurück bin. Ich jung geblieben und sie kurz davor …»

«Wow. Das ist echt ein enorm guter Grund. Fies und rachsüchtig. Aber gut. Kein Wunder das du so schnell wie möglich wieder zurück willst und ihr verdutztes Gesicht sehen.»

«Jetzt müssen wir erst noch zurück kommen.», erinnerte ich meine Crew.

Ein Stöhnen hinter uns sorgte dafür, dass wir uns zu unserer Bewusstlosen umdrehten. Anscheinend kam sie gerade zu sich. Gregory war sofort bei ihr und nahm ihr den Helm ab.

Zuerst sah sie Gregory erstaunt an.

«Alles in Ordnung«, versuchte ich sie zu beruhigen und ging auf sie zu. «Dir wird nichts passieren.»

In Anbetracht der Situation klangen meine Worte selbst in meinen Ohren ironisch. Die junge Frau schien hingegen meine Worte gar nicht wahrzunehmen. Stattdessen versuchte sie vor mir zu fliehen. Hatte sie Angst vor mir?

Als sie dann allerdings ihre Umgebung wahrnahm, erbleichte sie. «Oh nein», flüsterte sie.

«Wir dürfen nicht hier sein. Sie werden uns töten.»

Diese Reaktion hatte ich nicht erwartet. «Warum sollten sie uns töten?»

Sie blickte mich mit ihren grünen Augen erstaunt an. «Weil ihr Nahrung für sie seid.»

Ihre Antwort war schlicht. Wir Männer tauschten einen überraschten Blick.

«Sie züchten hier doch Nutzvieh?», wandte ich ein.

Gregory ging allerdings kurzerhand dazwischen.

«Mein Name ist Gregory und ich bin Arzt. Wir reissten auf diesen Planeten, um euch zu helfen. Wie ist dein Name?»

Bei Gregorys Worten wurde die junge Frau sichtbar ruhiger.

«Mary.»

«Gut, Mary. Kannst du uns erklären, was hier vorgeht?», fragte Gregory beruhigend und legte eine Hand auf die Schulter der jungen Frau.

«Wer seid ihr?», antwortete sie mit einer Gegenfrage.

«Wir sind von Genesis und sollten diesem Planeten helfen.» Ich versuchte meine Stimme so beruhigend wie möglich klingen zu lassen

«Das könnt ihr nicht. Die Menschen hier sollen sterben. Sie dürfen nicht überleben.»

«Was ist hier passiert. Wir haben gehört, dass die Klimaerwärmung sehr viel Schaden an der Erde angerichtet hat. Entspricht das der Wahrheit?», drängte ich weiter.

«Mit der Zeit stabilisierte sich das Klima. Es wurde sogar wieder etwas kühler. Aber nur ein paar Jahre nachdem Frieden eingekehrt war, entdeckten wir welchen Schaden ein Virus an unserem Erbgut hinterlassen hatte. Jeder der sich mit diesem Virus infizierte, wurde unfruchtbar oder entwickelte starke Schäden am ungeborenen Kind. So starben wir langsam aus. Heilmittel gab es keines.»

«Ich dachte, der Virus hätte nur die Tierwelt angefallen?», fragte ich überrascht.

«Auch. Aber erst nachdem es auf die Tierwelt übergesprungen war. Danach starb eine Art nach der anderen aus.»

Jeder von uns hatte einiges zu verdauen. Wie waren noch die Symptome?

«Also leben hier die letzten nicht Infizierten.» Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

«Nein. Hier leben die letzten Infizierten mit den nicht infizierten.»

«Heißt das, du bist ebenfalls infiziert?»

«Nein. Noch habe ich mich nicht angesteckt.»

«Captain? Sollen wir wirklich noch warten?», fragte Gregory besorgt.

«Mary, wie viele gesunde Menschen gibt es noch?»

«Ich habe seit mehreren Monaten nur noch Infizierte gesehen. Es sollte mit mir enden.» Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

«Was sollte mit dir enden?», fragte Gregory im mitfühlenden Tonfall.

«Die Menschheit. Sie sollten mit mir aussterben.»

«Heißt das, du bist die letzte Frau?»

Sie nickte.

«Okay. Dann gibt es für uns hier nichts mehr zu tun. Eric? Wir warten auf die Nacht und dann stehlen wir uns hier weg. Es sind ohnehin nur noch wenige Stunden, bis es dunkel wird. Wir sollten noch etwas schlafen, bis es losgeht.»

Alle nickten.

Als sich langsam die Dämmerung über die Erde legte, begannen die Maschinengeräusche der letzten Nacht zu erklingen. Das war für uns das Startsignal für den Ausbruch. Die Geräusche kamen aus diesem Gebäude. Der Boden unter meinen Füßen vibrierte und mit einem Nicken, gab ich Eric zu verstehen, dass es jetzt losging. Schnell glitten Erics Finger über das elektronische Kästchen. Nach nur wenigen Sekunden führten seine Fähigkeiten zu einem Kurzschluss. Funken flogen und es tat einen Schlag, dabei öffnete sich unsere Tür.

Karsten stürmte hinaus um etwaige Wachen auszuschalten. Doch zu unserer Überraschung war der Flur leer. Karsten zuckte mit seinen Schultern und stand zwei Meter weiter vor der nächsten Tür.

Eric wandte seine geschickten Finger der nächsten Tür zu. Auch hier konnte man einen Schlag hören. Nur hier ging die Tür nicht auf.

«Was ist passiert?», fragte ich Eric.

«Bei Stromausfall sind diese Türen konzipiert diese zu öffnen und bestimmte Bereiche abzusperren. Diese hier sperrte den Bereich ab. Die gute Nachricht war, es muss einen weiteren Weg nach draußen geben. Die schlechte ist, dass ich nicht weiß welchen.»

Mary sah sehr angespannt aus. «Ich … ich weiß einen.», fing sie stockend an zu sprechen. «Aber wir müssen durch die Küche.»

Ich nickte und sie zeigte in die andere Richtung. Schnell ging sie voran und wir folgten Nach und nach machte Eric die Türen auf, die uns den Weg verschlossen.

Hinter den Türen scharrte es laut.

«Was ist das?», fragte Janes. Dieser hatte dicht hinter Mary Position bezogen und versuchte sie abzuschirmen.

«Ihre Herde.», flüsterte Mary.

«Das klingt aber nicht nach Schweinen.», meinte Janes zweifelnd.

Doch Mary sagte dazu nichts mehr und ging zielstrebig durch eine weitere Verzweigung.

Hinter der nächsten Tür lag ein riesiger Raum, vollständig mit Blut besudelt. Verdreckte Töpfe und Teller standen auf den Ablagen. Der Geruch von Eisen und Verwesung lag in der Luft. Mein Magen rebellierte und ich musste würgen. Einige Herdblatten waren noch heiß und glühten. Die Bewohner dieses Ortes waren wohl gerade beim Essen.

Gregory ging voraus. Ihm schien dieses Szenario am wenigsten auszumachen. Während der Rest von uns angewidert durchlief und jeden Kontakt vermied, öffnete Gregory einen Hängeschrank und sah sich dort weiter um. Schon am zweiten Hängeschrank blieb er stehen und holte etwas heraus.

«Das ist ein Menschenkopf.», rief er erstaunt aus und hielt das gute skelletierte Stück in den Händen.

Eine Tür in diesem Raum war aus Glas. Schnell ging ich zu dieser Tür. Dahinter tobte der Lärm der nachts seinen Ursprung hier fand. Mit meiner Lampe leuchtete ich hinein. Dahinter waren ein Tank und eine Art Notstromaggregat. Ich öffnete die Tür und prüfte den Tank. Er war fast leer. Für eine Woche reichte dieser Tank noch. Zu wenig für das Mutterschiff.

«Das ist ein Finger.», rief Karsten entsetzt. Seine Worte rissen mich aus meinen Gedanken.

Gregory lief zwei Schritte auf Karsten zu und sah sich das Fundstück genauer an.

«Es ist ein Kinderfinger.» Diesmal klang auch er entsetzt.

«Raus hier. Sofort.», wies ich meine Männer an. Schnell setzte Mary sich wieder in Bewegung. Nach zwei weiteren Türen waren wir nun endlich im Freien.

Seltsamerweise sahen wir auch hier niemanden. Also schlichen wir uns weiter zum NASA Headquarter. Zurück zum Rover. Der Weg fühlte sich lang an. Langsam schmerzte jeder Schritt Nach einer dreiviertel Stunde sahen wir die Brücke. Diese war hell erleuchtet und Personen erkannten wir darauf. Der Fluss, der darunter durch floß, war sehr reißend und konnte unmöglich durchschwommen werden. Zumal die Strömung zur Brücke trieb.

«Und was machen wir jetzt?», fragte Janes außer Atem.

«Ich habe eine Idee», mischte sich Karsten ein.

«OK, lass hören», forderte ich Karsten auf. Vermutlich wollte er wieder etwas in die Luft sprengen.

Wir diskutierten Karstens Idee und nach kurzer Zeit waren wir uns einig, dass die Idee nicht so übel war, wie sie klang. Zumal wir keine Alternative hatten.

Wir stopften uns Steine in den Anzug, um möglichst viel Gewicht zu erlangen. Als alle bereit waren, schlichen wir uns die Böschung hinab in Richtung Flussbett. Durch das erhöhte Gewicht waren wir noch langsamer. Dennoch war es nicht so schlimm wie erwartet.

Dann pfiff etwas dicht an meinem Ohr entlang. Sie schossen!

«Schneller«, rief ich den anderen zu.

Noch ein Schuss knallte. Und dann kam das Wasser. Es umspülte uns. Die Steine sorgten dafür, dass wir nicht an der Oberfläche schwammen, sondern direkt untergingen. Der Fluss war schon nach ein paar Schritten so tief, dass wir vollständig vom Wasser umspült wurden. Die Strömung war stark. Beinahe riss sie uns mit. Selbst die Steine halfen nicht so sehr, wie wir uns das gewünscht hatten. Doch wir hatten Glück. Einige mannsgroße Steine befanden sich auf dem Grund. An ihnen hielten wir uns fest. Wir atmeten den Sauerstoff, den uns unsere Anzüge gaben und warteten darauf, dass über uns die Lichter ausgingen.

Die Minuten verstrichen langsam. Dann wurde es über uns dunkel. Sie schienen anzunehmen, dass wir ertrunken oder von der Strömung mitgerissen worden waren. Zumindest hofften wir das.

«Ich gehe als Erster nach oben und sehe nach, ob die Luft rein ist», sprach ich zu meiner Truppe. Karsten schüttelte vehement den Kopf.

«Das kannst du klemmen. Dich braucht man um den Flieger zu starten. Ich sehe nach, ob alle weg sind. Zudem habe ich auch noch ein paar Asse im Ärmel.»

Nach und nach warf er die Steine ab und stieg nach oben auf.

Doch sobald er an der Oberfläche war, hörte man ein paar dumpfe Laute. Schüsse die in den Fluss hinein krachten.

Karsten versuchte unterzutauchen und seinen Anzug auszuziehen. Weitere Schüsse konnte man hören, gedrückt durch das Wasser. Bisher schien Karsten nicht getroffen zu sein. Oder zumindest nicht tödlich.

Und dann hatte er seinen Anzug ausgezogen. Tauchte langsam wieder unter, während sein Anzug weiter schwamm. Durch die Nacht geschützt, war Karsten nun fast unsichtbar. Dennoch riss der Fluss ihn weiter in Richtung Brücke und schon nach einigen Sekunden erreichte er diese. Im Flussbett machte ich mich auf den Weg zur Brücke.

«Ihr bleibt hier», befahl ich dem Rest.

Karsten hielt sich an einem Pfeiler der Brücke fest und kletterte daran nach oben. Vom Boden aus sah ich ihn nur noch verschwommen. Er erreichte den Steg der Brücke, hielt sich noch einige Sekunden daran fest und fiel dann ins Wasser zurück. Inzwischen hatte ich mich bis zur Brücke vorgekämpft.

Als ich merkte, dass er fiel bugsierte ich die Steine aus meinem Anzug, so dass ich zu ihm an die Oberfläche stieg. Ich verpasste ihn um Haaresbreite und schwamm ihm nach. Zuerst schien es, als ob er immer weiter von mir weggetrieben wurde, aber dann stoppte der hintere Pfeiler sein Tempo sehr unsanft. Dann hatte ich ihn. Ich zog eine Atemmaske hervor und drückte ihm diese auf Mund und Nase. Gleichzeitig versuchte ich uns beide am Pfeiler zu halten. Er atmete, das konnte ich an der Maske erkennen, die leicht milchig anlief. Ein paar Sekunden später, schlug Karsten seine Augen auf und lächelte mich an.

Dann holte er etwas aus seiner Tasche hervor und zeigte es mir. Es war ein Zünder. Sofort verstand ich.

«Bewegt euch sofort in Richtung Rover. Karsten hat seinen Sprengstoff an der Brücke angebracht.»

Ich ließ den Pfeiler los und schwamm mitsamt Karsten in Richtung rettendes Ufer. Wir trieben weiter ab. Nun konnten uns auch schon die Schützen wieder wahrnehmen. Sie fingen an, das Feuer zu eröffnen, doch in diesem Moment donnerte ein riesiger Knall durch die Luft. Die Druckwelle traf uns und drückte uns unter Wasser. Durch meine geschlossenen Lider nahm ich wahr, wie für eine kleine Zeitspanne die Umgebung taghell war. Neben uns stürzten schwere Brückenstücke ins Wasser. Keines nah genug um uns wirklich gefährlich zu werden, aber ein ungutes Gefühl blieb trotzdem. Ich packte Karsten fester und schwamm mit ihm bis zum anderen Ufer hinüber. Dort angekommen halfen uns die anderen Crewmitglieder aus dem Wasser.

Die ganze Brücke war gesprengt. Keiner der dort oben stand, konnte diese Explosion überlebt haben. Wenn auf der Brücke alle Männer aus dem Pentagon versammelt waren, hatten wir gerade die gesamte Bevölkerung der Erde ausgelöscht. Wir hatten unsere Vergangenheit ausgelöscht.

Nun ja, nicht ganz. Mary, die letzte Erdbewohnerin, lebte noch.

«Lasst uns jetzt zurück zum Rover gehen. Wir müssen von hier weg. Unser Sauerstoff reicht nicht mehr lange», befahl ich den Jungs.

Als die Rakete abhob und die Erde kleiner und kleiner wurde, spürte ich Reue. Wir hatten zu spät eingegriffen. Wir kamen zu spät. Nun gab es keine Heimat mehr für die Menschheit. Glücklicherweise hatten wir noch unser Zuhause.

​Sense

Scharf, süß und rauchig floss ihm der Whiskey die Kehle hinunter. So ließ es sich aushalten.

Als das Glas sich wie von selbst leerte, goss Karl, sein Freund, ihm ein weiteres Gläschen ein. Karl war ein untersetzter älterer Herr. Schon ein paar Jahre in Rente.

Er, Wilhelm, schnitt derweil die Enden der zwei Zigarren ab und reichte Karl eine.

«Wo bleibt Heinrich?», fragte Karl.

«Er verspätet sich. Ist doch nichts Neues?»

Seufzend rollte Karl die Augen. «Nicht einmal zu seinem Geburtstag kann er pünktlich sein, und das in seinem Alter.»

Ein Klingeln.

Langsam ging Karl hinüber und hob ab.

«Ich hier! Wer da?»

Karls Augen wurden groß. Mit einem Knopfdruck hörte Willy auch was er hörte. Heinrichs kreischende Stimme. Sie hallte leicht von den Wänden wieder.

«Er ist hier! Helft mir! Der Tod!» Dazwischen hörten sie ihn schluchzen. Willy brauchte einige Sekunden bis er sich gefangen hatte.

«Richi, beruhige dich! Wo bist du?» Wilhelms Stimme klang sachlich, auch wenn sie etwas zitterte.

«Zuhause. Zuhause.», heulte es leicht verzerrt durch den Lautsprecher. Lautes Scheppern ertönte. Dabei zuckte Karl zusammen und löste sich aus seinem Schock. Willy musste nicht sehen, wohin Karl rannte, um zu wissen, dass er seine Autoschlüssel holte.

«Wir kommen zu dir!», rief er dem Hörer zu, als er sich in Richtung Tür bewegte.

So raste Karl die Straße hinunter. Dabei drückte die Beschleunigung Willy in den Beifahrersitz.

Willy war hin und hergerissen zwischen Sorge und Todesangst.

«Musst du unbedingt fahren wie der Henker?»

Auf mein Gemecker reagierte Karl gar nicht mehr. Allerdings sehr wohl auf das Aufheulen einer Sirene und Blaulicht.

 

Eine Stunde später befanden sich die Beiden auf der Wache und die ganze Belegschaft machte sich über die zwei betagten und betrunkenen Käuze lustig. Zur Beruhigung von Karl und Willy schickte man eine Streife bei ihrem Freund Heinrich vorbei. Aber auch nur damit die Beiden endlich ruhig waren. Dafür durften sie in die Ausnüchterungszelle und ihr Blut wurde auf weitere Drogen untersucht.

«Heinrich wird vom Tod geholt und wir sitzen hier. Schöne Freunde hat er da!», brüllte Karl durch die Zelle.

Im Nachhinein fragte sich Willy gar nicht mehr, wie sie hier gelandet waren. Er hoffte nur noch, dass Heinrich wohlbehalten aufgefunden würde.

«Unfassbar schnelle Freunde.»

«Jetzt bin ich wieder schuld? Willst du das im Ernst sagen?»

Daraufhin herrschte Stille.

Die Betten waren enorm unbequem. Gerade wenn man alte Knochen und schon einen Bandscheibenvorfall hatte. Wilhelm fragte sich, ob er aus diesem Bett wohl ohne Hilfe aufstehen konnte. Ansonsten hatten die Polizisten noch mehr zu lachen.

Und der Abend hatte so gut angefangen.

 

Metall schabte gegeneinander. Karl und Heinrich wurden so von Polizist Jan Herbig geweckt.

«Sie dürfen jetzt gehen.»

«Was ist mit unserem Freund Heinrich?», fragte Karl sofort.

«Er war gar nicht zuhause.»

«Das kann nicht sein.»

«Er wird sich einen Streich erlaubt haben. Wir haben die Wohnung öffnen lassen. Dort war nichts.»

 

Danach zogen fünf Jahre ins Land und Karl und Wilhelm lebten zusammen im betreuten Wohnen. Zwei rüstige Rentner in einer Schar von älteren Ladies.

Karl und Wilhelm saßen auf dem Balkon und genossen den Wein. Als Karl die süße Siebzigjährige von Gegenüber, Elenor, sah, pfiff er laut hinter ihr her. Freudig strahlte sie ihn an. «Karl du Schwerenöter.», rief sie hoch.

«Wie kannst du bei der ganzen Ausbeute nur so cool bleiben?», fragte Karl seinen Freund.

«Ganz einfach. Für solche Bräute bin ich noch nicht blind genug.»

«Frauen sind wie Wein. Werden im Alter besser.»

«Wenn sie nicht korken?»

«Du solltest dein restliches Leben mehr genießen. Wir wissen, dass es nicht ewig anhält. Nimm lieber alles mit, was das Leben dir bietet.»

Wilhelm sah sich seinen Kumpanen genau an. Das war das Ernsteste was er in den vergangenen fünf Jahren von Karl gehört hatte.

«Willst du über Heinrich reden?»

Langsam schüttelte er den Kopf und nahm einen großen Schluck Wein. Aus den Augenwinkeln sah Wilhelm eine Bewegung in der Wohnung. Zuerst dachte er, dass es seine hübsche Pflegehilfe Sandy wäre. Doch zu seinem Unmut stand ein groß gewachsener Pfleger vor ihm.

«Hallo, mein Name ist Kai Sperling. Ab heute kümmere ich mich um sie beide.»

Das ältere Pärchen guckte diesen Jungspund entgeistert an.

«Na klasse.» Der Sarkasmus in Karls Stimme war nicht zu überhören.

«Früher war alles besser.», murmelte Wilhelm mürrisch und sah dabei kritisch Kai an.

«Was ist mit Sandy passiert?»

«Sie arbeitet jetzt im Büro.»

«Und warum hat man dann nicht eine richtige Pflegerin geschickt?», fragte Karl provozierend.

«Dann werde ich versuchen mir ein paar Brüste wachsen zu lassen.»

Dabei lag ein süffisantes Lächeln auf Kais Lippen. Mit einer Gewissheit, dass sie definitiv vor ihm sterben würden. Dieses Wissen verursachte eine tiefe Falte auf Karls Stirn.

«Morgen auf deiner Geburtstagsparty sind dann wohl nur noch alte Hühner.», grummelte Wilhelm.

«Wie alt werden Sie denn morgen?» Dabei strahlte Kai und lächelte Karl an.

«80.», erwiderte dieser mürrisch.

«Das ist doch ein schönes hohes Alter.»

Die kritischen Blicke, die Kai bei diesem Satz entgegenschlugen, ließen für eine Sekunde sein Lächeln schwinden. Nach diesem Augenblick strahlte er wieder. «Ich werde mit Vergnügen auf eurer Feier erscheinen.»

Hatte er sich gerade selbst eingeladen? Doch bevor Karl und Wilhelm noch Einwände erheben konnten, verschwand Kai in Richtung Küche. Räumte mit einer enormen Geschwindigkeit die zuvor eingekauften Lebensmittel in die Schränke. Und dann verschwand er auch schon wieder.

 

Als Wilhelm am nächsten Morgen aufwachte, klapperte das Geschirr in der Küche. Verschlafen schlurfte er zur Tür und öffnete sie langsam. Er hatte erwartet Karl dort zu sehen. Aber Kai stand in der Küche. Er schnitt Fleisch in Streifen und legte es auf eine Platte. Von Karl war weit und breit nichts zu sehen.

Wilhelm sah einen Moment verdattert aus und ging dann auf den Balkon hinaus. Da war Karl und zwitscherte das erste Bier.

«Kein Bier vor vier.» Wilhelms Stimme klang nicht gerade überzeugend.

«Nach vier ist vor vier.» Dabei lag ein süffisantes Lächeln auf Karls Lippen.

«Happy Birthday!»

Danach setzte sich Wilhelm zu Karl.

«Was macht der Grünschnabel denn eigentlich schon hier?»

«Er bereitet die Party vor. Hat sich ja gestern dazu angeboten.»

«Und du hast vor, dass bis zum Letzten auszunutzen.»

Es war keine Frage. Er kannte Karl gut genug, um zu wissen, dass er seinen Vorteil bis zuletzt ziehen würde.

 

Den ganzen Vormittag verbrachte Kai damit die Party vorzubereiten. Und dies tat er mit seinem ihm eigenen fröhlichen Wesen.

Die beiden älteren Herren waren genervt davon. Selbst, als die schweren Getränkekisten von ihm hochgeschleppt wurden, war er unverschämt fröhlich.

Aber dafür war die Party perfekt vorbereitet, als um vier Uhr Elenor eintraf. Die Feier fand auf der zur Verfügung gestellten Terrasse und in Karls und Wilhelms Wohnung statt.

Elenor war schon nach zwei Gläsern des Früchtepunschs ausgelassen und tanzte mit Karl, als ob sie zwanzig wären. Ebenso wurde Wilhelm ausgelassen und tanzte mit einer Freundin von Elenor, Sabine.

 

Sabine erzählte Wilhelm von ihrer Familie, ihrem verstorbenen Mann, ihren verstorbenen Terriern. Und dem Umstand, dass sie im Moment unglücklich darüber war im Altersheim keinen Hund mehr halten zu dürfen. Da Wilhelm den richtigen Pegel hatte, empfand er das Gespräch sogar als angenehm. Obwohl es schon dunkel war, herrschte auf der Terrasse eine angenehme Temperatur.

Als er auf seine Uhr sah, erschrak er. Fünf Stunden waren seit Beginn der Party verstrichen. Er hatte Karl gar nicht mehr gesehen. Wankend stand er auf. Dabei drehte sich die ganze Welt um ihn. Komisch, er konnte sich nicht erinnern so viel getrunken zu haben. Als er sich nach vorne beugen wollte, um sich bei Sabine zu entschuldigen, sah er im Dunkeln ein Gesicht zwischen den Bäumen aufblitzen. Es war kein normales Gesicht. Es war ein skelettierter Kopf.

Keuchend drehte sich Wilhelm um und versuchte in Richtung seiner Wohnung zu laufen. Obwohl sein Blick verschwommen war, versuchte er zwischen den noch vorhandenen Gästen Karl auszumachen. Als er im Flur seiner Wohnung stand, kam ihm Elenor entgegen.

«Hast du Karl gesehen?», stammelte Wilhelm.

«Nicht seit einer Stunde. Er wollte dich suchen. Aber in der Wohnung ist er auch nicht.»

Panik überfiel Wilhelm, als er sich wieder an die Fratze im Schatten erinnerte.

 

Wilhelm wachte in einem weißen Bett auf. Alles fühlte sich matt und kribbelnd an. Wo war er? Das war nicht seine Wohnung. Karl! Dabei spürte er sein Herz bis zum Hals schlagen.

Was war mit Karl passiert? Dann konnte er sich wieder an seinen Ausbruch erinnern.

Nun sah er sich seine Umgebung genauer an. Die Wände waren mit beigem Lack angestrichen. Das Licht blendete ihn, genauso wie die Wände, obwohl diese nicht mal weiß waren. Es wirkte steril. Das Bett, auf dem er lag, hatte einen Holzrahmen und fühlte sich hart an.

Er stand auf und hatte noch die Wäsche vom Vortag an. Zumindest nahm er an, dass es gestern gewesen war. Dann stieg er aus dem Bett, öffnete die Zimmertür und schritt den Gang entlang. Überall an den Wänden hingen Tücher. Der Gang musste doch auch Türen haben. Am Ende des Flurs stand eine Bank mit einem Haltestellenschild. Auf der Bank saß eine ältere Frau in einem grünen etwas ausgeblichenen Kleid. Als sie ihn sah, fing sie an laut zu rufen.

«Huchuu, Herr Schaffner. Wann kommt denn der Zug?»

Was war nur hier los? Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Sie hatten ihn nicht nur in das Altersheim verfrachtet. Er saß in der geschlossenen Abteilung.

Die Erkenntnis zwang ihn in die Knie. Er setzte sich auf den kühlen PVC-Boden. Unschlüssig was er jetzt machen sollte. Bevor er einen klaren Plan hatte, halfen ihm schon zwei Hände auf und schoben ihn den Gang entlang. Das Brüllen der alten Frau folgte ihnen. Völlig weggetreten ließ er es mit sich machen. Als er seine Umgebung wieder wahrnahm, merkte er, dass man ihn in den Gemeinschaftssaal geschoben hatte.

Kurz blickte er sich um. Man hatte ihn an den Katzentisch gesetzt. Der Ausschuss der Rentner. Rechts neben ihm saß eine ältere Dame, die ordentlich Speck auf der Hüfte hatte. Diese starrte ein Blatt an und jede Minute pickte sie das Papier leicht mit einem Stift an. Ihre Haare waren dicht an ihrem Kopf und sahen aus, als ob sie schon länger nicht mehr gewaschen worden waren.

Der Mann ihm gegenüber starrte nur vor sich auf den Tisch. Ein Vollbart verbarg den Großteil seiner Gesichtszüge. Sein Blick war leer.

Das ältere Mädchen links neben ihm hingegen wirkte noch etwas hektisch. Ein Blatt Papier lag vor ihr und ein paar Buntstifte. Ihre Hand schwebte zwischen den verschiedenen Stiften. Als sie merkte, dass Wilhelm sie ansah, blickte sie ihn neugierig an. Dann wurde ihr Blick wieder unsicher. Sah zu den Stiften runter und berührte einen roten Stift.

«Darf ich mit diesem Stift malen?», fragte sie Wilhelm.

«Nein.», fuhr er sie an.

Daraufhin wurde sie noch unsicherer. Dann nahm er den grünen Stift, gab ihn ihr. «Nur diesen darfst du benutzen.»

Wilhelm wusste, dass er fies war. Es war ihm nur egal.

Die anderen Beiden sahen nicht einmal auf. Ein Tisch an dem nur noch Gemüse saß.

Er musste sofort hier raus.

Verstohlen sah er sich um. Es gab drei Pfleger, die nichts anderes taten, als die Patienten im Auge zu behalten. Wenn er hier einfach in Richtung Ausgang spazieren würde, wäre es sehr auffällig.

Er setzte sich an einen Tisch, an dem die Patienten noch etwas fideler aussahen.

«Alles Schweinehunde. Selbst die Medikamente klauen sie einem.» Dabei fuchtelte der ältere Mann mit einem Katalog in der Luft.

«Dann sollten wir etwas unternehmen.», startete Wilhelm einen Versuch, die Patienten zu einem Aufstand zu bewegen.

«Können ja eh nichts ändern.», kam es sofort im Brustton der Überzeugung.

Vielleicht etwas Konkreteres. Also ließ Wilhelm dem Katalogwinker wissen, dass einer der Pfleger etwas mit seiner Frau hatte. Ein paar Sekunden später stürmte der Mann auf den Pfleger zu und schlug ihn mit dem Katalog.

Sofort eilten die anderen zwei Pfleger ihrem Kollegen zur Hilfe.

In diesem Tumult bemerkte niemand wie Wilhelm sich wieder auf den Flur schlich. Als er sich dem Bushaltestellenschild näherte, konnte er sofort die Frau hören.

«Wissen Sie, wann der Zug kommt?»

Charmant und in einem ruhigen Ton sagte Wilhelm: «Der fährt heute nicht hier ab. Der fährt auf Gleis 3.»

«Oh, wie komme ich denn da hin?» Ihre Stimme war laut und hallend. Wilhelm fürchtete, dass die alte Lady trotz des Tumultes zu hören war. Also sagte er lächelnd: «Hier entlang.» Dabei hielt er ihr die Hand hin um ihr aufzuhelfen. Hinter dem Vorhang war wie erwartet der Ausgang. Zu seiner Überraschung stimmten die Gerüchte über die geschlossene Abteilung des Altersheimes.

Wilhelm bugsierte seinen Anhang aus der Tür und folgte ihr. Er war immer noch in seiner Anlage. Daher kannte er sich ab hier gut aus.

«Wohin geht es denn heute?»

«Wir machen jetzt einen schönen Ausflug.», log er die Dame an.

«Ohh, wie schön. Ein schöner Ausflug.», rief diese direkt begeistert aus.

Für die paar hundert Meter bis zu seiner Wohnung brauchte das Pärchen eine ganze Weile. Seine Begleiterin war nicht mehr gut zu Fuß.

Es konnte nicht mehr lange dauern, bis ihre Flucht auffallen würde. Doch bevor er sich ernsthafte Sorgen machen konnte, stand er vor seiner Haustüre. Die Tür war weit geöffnet. Genauso auch die Wohnungstür. Als er diese betrat, fiel ihm auf, dass die Wohnung fast ausgeräumt war. Die Möbel waren abgebaut. Also ging Wilhelm in die Küche. Dort fand er nichts. Nicht einmal mehr Rückstände der Party waren auszumachen.

«Mei, ist das ein schöner Ausflug.», hörte er seine Begleiterin durch die Wohnung rufen. Diesen Satz wiederholte sie im Minutentakt.

Wilhelms Hoffnung war, Karl zu finden oder zumindest einen Hinweis auf seinen Verbleib zu entdecken. Doch nichts. Was sollte er jetzt nur machen? Es gab kein Zurück in sein Leben von gestern. Seine Wohnung wurde geräumt und sein neues Zuhause war die Hölle. Ansonsten hatte er keine Angehörigen, keine Freunde, keine Perspektive.

Dann ertönten Schritte im Flur.

«Mei, ist das ein schöner Ausflug.»

«Hallo, schöne Frau. Woher kommen sie denn?» hörte er Kais fröhliche Stimme.

«Vom Bahnhof.»

«Aha. Dann setzen Sie sich doch erst einmal hierhin und wir kümmern uns darum Sie nach Hause zu bringen.»

Danach hörte Wilhelm, wie Kai einen Anruf tätigte. Wilhelm rang mit sich selbst, ob er herauskommen oder sich weiter in der Küche verstecken sollte.

Als Kai die Küche betrat, nahm er Wilhelm damit seine Entscheidung ab.

«Wilhelm?», rief Kai überrascht. Doch in seinem Blick war eine Kälte.

«Was ist mit Karl passiert?»

«Herzinfarkt.» Dabei setzte Kai wieder sein Lächeln auf.

«Zu Tode erschreckt? Oder wurde anders nachgeholfen?» Es war nur eine Theorie, aber Wilhelm hatte damit voll ins Schwarze getroffen. Weder Heinrich noch Karl starben eines natürlichen Todes. Und ihm, Wilhelm, würde es genauso gehen.

«Macht das einen Unterschied?» Kai wusste, dass er seine Maske nicht mehr aufrechtzuerhalten brauchte. Niemand würde Wilhelm glauben und Karls Tod würde niemand für Mord halten.

«Und ich werde nun auch an meinem achtzigsten Geburtstag sterben? Oder wird es schneller gehen?»

Kai blieb ihm eine Antwort schuldig. Stattdessen zog er ein kleines gläsernes Gefäß aus seiner Tasche und stellte dieses auf den Küchentisch.

«Du kannst dich entscheiden. Ein Leben in der Geschlossenen oder du kannst dein Leben damit beenden.»

«Warum?»

«Auge um Auge.», sagte er schlicht.

Dabei wurde es Wilhelm heiß und kalt zur selben Zeit. Eine Erinnerung, die er schon mehrere Jahrzehnte verdrängt hatte stieg in ihm hoch. Sein schlechtes Gewissen kam wieder.

«Kowalski?»

Kai nickte lächelnd.

Traurig und verzweifelt sah Wilhelm das Glas auf der Ablage an. Eine Wahl hatte er nicht. Sein Leben war vorbei. Dennoch hatte er eine Frage.

«Die Bowle?»

«LSD.»

Kai hatte ganze Arbeit geleistet. Wilhelm nickte und nahm das Gläschen, schraubte es auf und trank es. Mit einem Klirren stellte er das leere Glas zurück auf die Ablage.

Lächelnd nahm Kai das Glas wieder an sich und ging in den Flur.

«Ist das ein schöner Ausflug.», trällerte die Frau in Grün.

​Die Spielgefährtin

Mein Vater ritt mit mir aus. Das Klackern der Hufe war laut und hallte leicht in dem Tal durch welches wir ritten. Kühlend strich der Wind über meine Stirn und zerrte leicht an meinem Kleid. Selbst durch meine dicke Kleidung spürte ich den kühlen Hauch. Doch der Morgen war schön und mein Vater war nur wenige Meter vor mir. Wir ritten zu unserem Lieblingsplatz. Eine kleine Lichtung im dichten Wald. Dort saßen wir und genossen die Sonne. Er nahm mich in den Arm. «Kind, so wie die Sonne wärmst auch du mir mein Herz. Ich wünschte wir finden jemanden der dein Herz genauso wärmt.»

Durch eine Berührung meines Armes kehrte ich in das Hier und Jetzt zurück. Eine ältere Frau aus dem Dorf, meine Nachbarin, drückte mir die Hand. Diese Erinnerung an meinen Vater fühlte sich nun sehr weit weg an, und doch war sie die Glücklichste, die ich besaß.

Die Nachbarn um mich herum waren alle in Schwarz gekleidet. Dies wirkte noch trister, da der Himmel in ein dunkles Grau gefärbt war. Nur noch kurz, dann würde es zu regnen beginnen. Heute würde ich meinem Vater zum letzten Mal nahe sein. Meine Stiefmutter stand auf der anderen Seite des Grabes. Auch sie war in Schwarz gekleidet. Ein schwarzes, etwas durchscheinendes Tuch flatterte vor ihrem Gesicht. Was schade war, denn ihre Züge waren wunderschön. Die schönste Frau im ganzen Dorf. Das war wohl der Grund, warum mein Vater sie geheiratet hatte.

Und nun wurde er beerdigt. Die Zeremonie strich an mir vorbei. Die Worte des Pfarrers nahm ich kaum wahr. Ein stetiges Rauschen, welches mich umgab, als ich auf den Sarg meines Vaters starrte. Kurz darauf war er für immer weg.

Als ich aufsah, begegnete ich dem Blick meiner Stiefmutter. Wütend starrte sie mich an. Ihr Hass war schon fast spürbar. Die umstehenden Versammelten schienen das nicht wahrzunehmen. Karina, meine Nachbarin, nahm mich an meiner Schulter und führte mich von dem Friedhof.

Als Nächstes kam der Leichenschmaus. Eines unserer Rinder war zu diesem Zweck geschlachtet worden. Warm loderte das Feuer hoch. Ich sah es, als ich daran vorbei ins Haus meines Vaters geführt wurde. Einige Reden wurden gehalten. Aber ich hörte nicht zu. Karinas Hände hielten mich noch immer fest. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich geborgen. Doch als mein Blick abermals meine Stiefmutter streifte, wurde mir bewusst, dass es nie wieder so etwas wie Geborgenheit in meinem Leben geben würde.

Dann war es vorbei. Die letzten Gäste gingen und ich war alleine mit der letzten Angehörigen meiner Familie. Meiner Stiefmutter. Die Stille lastete schwer auf uns. Nach kurzem Zögern wollte ich die Treppe zu meinem Zimmer hochgehen. Vollkommen erschöpft wollte ich nur noch schlafen.

Doch ein fester Griff um meinen Unterarm hielt mich davon ab die erste Stufe zu betreten.

«Du Dreckstück wohnst hier nicht mehr.»

«Was?», fragte ich schockiert.

«Das Erbe deines Vaters gehört mir. Und ich will dich hier nicht haben.»

Einen Moment stand mir der Mund offen. Ich sollte von hier weg?

«Wohin soll ich denn gehen?», fragte ich verzweifelt.

«Das ist mir egal. Geh in den Wald. Solltest du dich noch einmal hier blicken lassen, werde ich dich töten», schrie sie hysterisch. Dann holte sie aus und gab mir eine schallende Ohrfeige. Diese brannte heiß auf meiner Wange.

«Verschwinde, du Nichtsnutz. Durchfüttern werde ich dich auf gar keinen Fall.»

Obwohl sie eher eine zierliche Frau war, war ihr Griff kraftvoll. Fester als ich es erwartet hätte. Der Stoß, den sie mir gab, ließ mich in Richtung Tür torkeln. Mit Tränen in den Augen sah ich zu ihr auf. Kein Erbarmen stand in ihrem Blick, nur dunkler Hass. Die Faust erhoben, kam sie auf mich zu. Vor Schreck riss ich die Tür auf und rannte in die kühle Nachtluft.

Einige Nachbarn waren zu unserem – ihrem – Haus geeilt. Wie von Wespen verfolgt, rannte ich an ihnen vorbei, hinein in den Wald. Erst nach einigen Minuten wurden meine Schritte langsamer. Die kühle Luft brannte in meinen Lungen und mein Herz raste. Direkt vor einem großen Baum hielt ich an, stützte meine Hände darauf, während ich langsam in die Knie sank.

«Beruhige dich», flüsterte ich mir selbst zu. «Beruhige dich.»

Das Blut in meinen Ohren hämmerte laut. Zitternd umarmte ich mich selbst und weinte. Weinte laut. Es konnte mich niemand hören, ich war allein.

Etwas presste sich auf meinen Mund und dann war da nur noch Schwärze.

Langsam kam ich wieder zu mir. Übelkeit stieg in mir auf und der Raum drehte sich. Die Decke kam mir entgegen. Als es etwas besser wurde, drehte ich mich auf den Bauch. Erst da fiel mir auf, dass ich auf einem Bett lag. Mein ganzer Körper glühte. Einen arm ließ ich zu Boden sinken, dieser fühlte sich kühlend an. Als ob er die Hitze aus meinem Körper herausziehen würde.

Was war passiert? Wie war ich hierhergekommen?

Der flackernde Schein des Kerzenlichts schwebte über die Wände. Ich schloss die Augen, da sich noch immer alles drehte. Je länger ich die Wand beobachtete, desto mehr rebellierte mein Magen. Wasser sammelte sich in meinem Mund und ich schluckte immer wieder. «Hallo? Ist hier jemand?», krächzte ich. Meine Stimme war selbst für mich kaum hörbar. Meine Augenlider fühlten sich schwer an. Dann schlief ich wieder ein.

Als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, waren der Schwindel und die Übelkeit fort. Ich lag auf dem Rücken und starrte zur Decke. Diese war uneben und braun. Langsam setzte ich mich auf. Der Raum, in dem ich mich befand, war klein. Nicht aus Holz oder Stein. Er schien aus Lehm geformt worden zu sein. Die Wände waren so uneben wie die Decke und auch der Boden war gewellt. Eine Ecke des Raumes war mit Tüchern verhangen. Es musste der Eingang sein.

Als meine Beine den Boden berührten, spürte ich, dass dieser kühl war. Wo sind denn meine Schuhe hin? Ich musste mich am Bettrand festhalten, um nicht hinzufallen. Meine Beine zitterten und wollten mir nicht so recht gehorchen.

Jemand musste mich hierher gebracht haben. Also musste jemand hier sein.

«Hallo?», rief ich. Diesmal war meine Stimme laut und hallte von den Wänden wieder. «Ist hier jemand?»

Nichts war zu hören.

Als ich mich weiter umsah, bemerkte ich, dass sieben Betten in diesem Raum standen. Sieben Bewohner. Nur wo waren sie?

Langsam ging ich in die Richtung des Eingangs. Ich hatte Recht, es war ein Durchgang. Dieser führte zu einem weiteren Raum. In diesem stand ein gewaltiger Tisch. Es war für sieben Personen gedeckt. Teller und Becher waren aus Ton. Das Essen selbst schien kalt zu sein. Auf tönernen Platten waren Kartoffeln und gebratenes Fleisch angerichtet. Auch ein großer Laib Brot stand auf dem Tisch. Das roch köstlich. Also ging ich zur Tafel und setzte mich auf einen hölzernen kleinen Schemel. Der Teppich fühlte sich weich und flauschig unter meinen Füßen an. Gierig aß ich eine Scheibe Brot und ein paar Kartoffeln.

Wo waren die Bewohner? Von dem Esszimmer gingen zwei weitere Bereiche ab. Diese waren Öffnungen in der Wand und waren nicht mit Tüchern behangen, wie bei dem Schlafraum. Die erste Öffnung führte zu einer riesigen Küche. Der Boden und die Decke waren ebenfalls aus Lehm und sehr uneben. Im Kontrast dazu war die Küche gut ausgestattet. Mit einer riesigen Kochgelegenheit aus Stahl und aus Holz gefertigten Schränken war diese Küche ein Goldstück. Sie war weit größer als der Schlafraum und eine Wand war vollständig mit Töpfen und Pfannen eingerichtet. Ich öffnete eine Holztruhe. Kälte drang aus ihr hervor. Sie war mit Eis gefüllt. Darauf lag Fisch. Einiges Gemüse war auf einer Ablage zu finden. Allerdings war kein Messer vorhanden.

Kratz. Kratz.

Erschrocken drehte ich mich um. Die Geräusche kamen aus dem Esszimmer. Langsam ging ich wieder zurück in den anderen Raum. Dort standen sieben kleine Gestalten in Mäntel umhüllt und hatten mir den Rücken zugedreht.

«Hallo?» Selbst ich konnte hören, dass meine Stimme zitterte. Sie klang seltsam wieder in dem Raum. Die sieben Gestalten vor mir bewegten sich nicht. Einen Moment war ich unschlüssig was ich tun sollte. Eiskalt lief es mir den Rücken hinab.

Als ich schluckte, war mein Mund trocken. Mich innerlich verfluchend ging ich auf die Gestalten zu.

«Hallo?», fragte ich erneut. Mein Blut rauschte in meinen Ohren.

Nicht die kleinste Bewegung ging von ihnen aus. «Hallo?» Als ich die Hand auf eine Schulter legte, wurde mir bewusst, dass es keine lebenden Gestalten waren. Sie fühlten sich kalt an. Und als ich um die Erste herum ging, sah ich einer Lehmfigur in die Augen. Sieben Lehmfiguren in Zwerggengröße standen im Raum. Diese konnten sich nicht selbst hierher getragen haben. Jemand musste hier sein. Ich wand mich zum letzten unbekannten Winkel um und ging durch die Aussparung im Lehm. Der Raum war leer. Vollständig. Es war der kleinste Raum und bestand genauso wie die anderen aus Lehm. Ich wand mich um und ging durch das Esszimmer und wieder in den Schlafsaal. Niemand war zu sehen. Doch ich konnte nicht alleine sein. Irgendjemand hatte die Lehmfiguren in das Esszimmer gestellt. Nur wo war derjenige? Einige Momente später fiel mir auf, dass es keinen Ausgang gab.

Augenblicklich ging mein Atem schneller. Nein, das konnte nicht sein! Hier musste es einen Ausgang geben. Nochmal lief ich alle Räume ab. Kein Ausgang. Mir wurde schwindelig, da ich so schnell atmete. Langsam setzte ich mich auf ein Bett und versuchte mich zu beruhigen.

Alles wird gut, sagte ich mir selbst. Alles wird gut.

Nach ein paar Minuten konnte ich wieder klarer denken. Der Lehm war hart. Aber vielleicht war er so dünn, dass ich diese Behausung aufbrechen konnte. Ich nahm mir eine gusseiserne Pfanne aus der Küche und begann im Schlafzimmer auf die Mauer einzuschlagen. Lehm blätterte ab und so schlug ich mich langsam durch mein Gefängnis. Es entlockte mir ein Lächeln, als ich das letzte große Stückchen Lehm aus dem Loch holte. Doch dann erstarrte mein Gesicht. Dahinter verbarg sich Stein. Unebene Wand und kleine Zapfen sahen mir entgegen. Entsetzt kam mir die Erkenntnis, dass ich in einer Höhle eingesperrt war.

Ich schlug kleine Löcher in die Wände. In jedem Raum. Doch in keinem fand ich etwas anderes als Gestein. Mutlos sank ich auf ein Bett. Ich war hier mit jemand eingesperrt und dennoch gab es keinen Ausgang. Hatte ich meinen Verstand verloren?

Ich wachte auf. Mein Kopf dröhnte und meine Unterarme schmerzten noch etwas wegen der ungewohnten Belastung mit der Pfanne. Ich drehte mich zur Wand um und stellte fest, dass kein Loch in der Wand mehr zu sehen war. Gehetzt sprang ich auf und lief zu der Stelle. Der Lehm war zwar noch nass, aber jemand hatte das Loch aufgefüllt. Im Esszimmer und in der Küche bot sich mir dasselbe Bild.

Das konnte doch nicht wahr sein! Hatte ich das alles nur geträumt? Oder hatte ich mit meinem Vater und meinem Zuhause auch mein Verstand verloren?

In der nächsten Zeit schlief ich viel. Meine Umgebung zerstörte ich nicht mehr und sie veränderte sich auch nicht. Die Küche füllte sich öfters mit Nahrungsmitteln. Ab und zu waren auf magische Weise gekochte Speisen in der Küche und auf dem Esszimmertisch zu finden. Hin und wieder machte ich mir das Essen selbst. Die Lehmzwerge veränderten von Zeit zu Zeit ihren Standort. Darüber wunderte ich mich nicht mehr.

Eines Tages fing ich an mit einer der Lehmfiguren zu reden. Danach gab ich ihnen Namen. Das nahm der Stille, in der ich eingesperrt war, ein wenig die Einsamkeit.

Mein Lieblingslehmzwerg war der Rundeste von allen und hatte den Namen Brösel bekommen. Oft saß ich ihm gegenüber und führte imaginäre Gespräche. Es war trotzdem schön, da er nicht widersprach und mich tröstete.

Wir saßen uns gegenüber und jeder hatte einen Teller vor sich. Auf Brösels Teller war nur ein wenig Salat. Er wollte in nächster Zeit auf seine Linie achten. Als ich ihm anbot ebenfalls Verzicht zu üben, um es ihm einfacher zu machen, meinte er nur, dass ich schon jetzt verhungert aussehen würde. Brösel war charmant und hatte es echt drauf.

Wie viel Zeit vergangen war, konnte ich nicht sagen. Auch nicht, ob es Tag oder Nacht war. Ich schlief, ich wachte auf. Ob es einen Rhythmus gab, wusste ich nicht.

Eines Tages fand ich ein Schachbrett auf dem Esstisch. Es hatte ein schwarz-grünes Muster und die Figuren waren aus zwei verschiedenen Metallen. Alle Figuren standen in zwei Reihen und waren zum Spielen aufgebaut. Bis auf einen weißen Bauern, welcher nach vorne geschoben war. Direkt neben dem Spiel lag ein Zettel. Darauf stand: Spiel mit mir?! Die Handschrift war schön geschwungen und langgezogen.

Nachdem ich mich nur noch über die interessante Wendung gefreut hatte, war ich bereit zu spielen. Ich würde alles annehmen, was meinen Alltag erträglicher machen würde. Ich ließ einen schwarzen Springer in die dritte Reihe springen. Danach legte ich mich wieder hin.

Doch am nächsten Tag war das Schachbrett verschwunden und ebenso der Zettel. Ich war enttäuscht. Die nächste Zeit zog sich endlos hin. In dieser Zeit veränderte sich nichts. Selbst Brösel blieb immer an Ort und Stelle. Kein plötzlicher Platzwechsel. Meine kleine tönerne Welt fühlte sich noch etwas verlassener an, als ohnehin schon.

Doch nach ein paar Tagen war Brösel wieder verstellt. Er befand sich in dem leeren Raum. Allerdings war der Raum nun nicht mehr leer. Dort hatte ein Bett Platz gefunden und ein provisorischer Schrank. An diesem hing eine wunderschöne Tracht. Sie war im Grundton grün und hatte eine graue Schürze dabei. Obwohl ich nicht wusste, woher das Kleid kam, freute ich mich darüber und umarmte Brösel.

«Danke. Es ist wunderschön.»

Leichtfüßig nahm ich das Kleid und tanzte damit durch die Räume. In diesem Moment war ich glücklich. Vielleicht hatte das alles auch sein Gutes.

In der darauffolgenden Nacht schlief ich, wie ich annahm, in meinem eigenen Zimmer. Etwas das man mir geschenkt hatte und irgendwie mir gehörte. In dieser Nacht träumte ich mit einem Lächeln auf meinen Lippen.

Am nächsten Tag zog ich das neue Kleid an und fühlte mich schön darin. Der Stoff war weich und schmiegte sich an meine Haut an. Dagegen war das Kleid davor sehr hart und kratzig gewesen.

Als ich ins Esszimmer kam, sah ich einige Bücher und einen Kamm, der die passende Farbe zum Kleid hatte. Ohne Spiegel war es aber schwierig eine Frisur hochzustecken. Doch zum Schluss gelang es mir, die meisten Haare mit dem Kamm festzuklemmen.

Beschwingt führte mich dann mein Weg in die Küche und ich schenkte mir einen Becher Wasser ein. Mir wurde etwas mulmig. Vielleicht half etwas Wasser. Aber als ich einen Schluck davon trank, wurde der Schwindel schlimmer. Meine Hand versuchte noch sich am Herd festzuhalten. Meine Muskeln krampften. Stechende Schmerzen fuhren durch meine Arme und Beine. Keuchend schnappte ich nach Luft, dann wurde mir schwarz vor Augen.

Nur langsam kam ich wieder zu mir. Mein Kopf pochte und schmerzte und meine Zunge fühlte sich pelzig an. Mir war kalt. Der Kamm lag neben mir und darunter lag ein Zettel.

«Du solltest nichts von Fremden nehmen. Es könnte von deiner Stiefmutter sein.»

Meine Augen brannten. Brösel war in die Küche verfrachtet worden. Froh, dass er da war, kroch ich zu ihm und umarmte seine kalte Gestalt. Langsam liefen mir Tränen die Wange hinab. Heiß brannten sie eine Spur hinab zu meinem Kinn, nur um dann dort herunterzufallen.

Jemand versuchte mich umzubringen. Es dauerte eine Weile, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Danach machte ich ein kleines Feuer im Herd und verbrannte den Kamm.

Lange saß ich mit dem Rücken zur Wand und starrte mein Umfeld und meine Lehmkameraden an. Versuchte alles in ein Bild zu bekommen. Jemand spielte mit mir. Jemand versuchte auch mit mir zu kommunizieren. Aber er war nicht sichtbar und an diesem Ort war es nicht möglich weg zu kommen oder hinein. Der vergiftete Kamm und die Lehmfiguren. Ein Teil des Rätsels fügte sich zusammen. Jemand spielte ein Märchen mit mir nach. Schneewittchen und die sieben Zwerge. Nur warum? Eiskalt lief es mir den Rücken hinunter. War derjenige ein Geist?

Was sollte als Nächstes kommen? Der vergiftete Apfel und danach ein glückliches Ende für mich. Werde ich danach freigelassen?

Tagelang war ich mit meinen Gedanken alleine. Zwar wurden Brösel und die anderen hin und hergeschoben, aber ansonsten war kein neuer Gegenstand in meinem Verlies zu finden. Seit dem Vorfall mit dem Kamm fühlte sich dieser Ort bedrohlich an. Ungefähr zwölfmal schlief ich, bis ein Apfel auf dem Tisch stand und mich verheißungsvoll ansah.

Was sollte ich tun? Darauf vertrauen, dass alles gut ging oder aufhören zu spielen?

Soviel Vertrauen hatte ich nicht. Ich verbrannte den Apfel, genauso wie Tage zuvor den Kamm. Erst danach war ich erleichtert. Ich nahm mir eines der Bücher und versuchte Zeit totzuschlagen. Inzwischen fühlte es sich an, als ob ich zu viel Zeit hätte. Zuviel Zeit und keine Zukunft.

Am nächsten Tag lag ein neuer Apfel auf dem Tisch. Dem Zweiten erging es wie dem Ersten. Ich bemerkte, dass die Vorräte sich nicht auffüllten, wie üblicherweise. Stattdessen fehlte sogar ein großer Teil. Du stehst das durch, sagte ich mir immer wieder. Auf keinen Fall wollte ich wissentlich Gift essen.

Nach einigen Tagen war kein Bissen mehr von den Vorräten vorhanden. Allzeit bereit war jedoch der Giftapfel, welcher jeden Tag erneut auftauchte. Egal was ich damit auch anstellte. Zwei Tage, nachdem das Essen versiegt war, wurden auch das Wasser und die Kerzen nicht mehr aufgefüllt. Nach zwei weiteren Tagen brannten meine Lippen höllisch und die Kraft verließ mich. So konnte ich nicht mehr weitermachen. Mein Kopf dröhnte und mein ganzer Körper schrie. Dieses Kräftemessen konnte ich nicht gewinnen.

Warum mich also noch länger quälen? Ich nahm den Apfel, der nur eine Armlänge von mir entfernt lag und kroch zu Brösel. Er stand in der Küche. Unendlich langsam bewegte ich mich auf ihn zu. Ich merkte, dass das Licht im Esszimmer ausgegangen war. Die Kerzen in der Küche waren jetzt noch das letzte Licht in dieser Gruft.

«Nun, Brösel. So wird es jetzt enden? Hier sterbe ich nun», krächzte ich. «Zumindest sterbe ich umgeben von Freunden. Und noch im letzten Licht, das bald ausgehen wird.» Mein Rücken kühlte ab an den Stellen, die sich an Brösel anlehnten. Aber das war jetzt egal. Einen großen Bissen nahm ich von dem rotbäckigen Apfel. Zuerst schmeckte er süß, dann wurde er bitter. Ich konnte nicht mehr sagen, ob die Kerze erlosch oder ob es nur mein Bewusstsein war, welches sich verdunkelte.

Ich merkte noch, dass der Boden kühl war. Warme Hände stützten meinen Kopf ab. Langsam nahmen meine Augen wieder Konturen wahr und ich konnte erahnen, dass jemand bei mir war. So richtig konnte ich ihn nicht erkennen. Lippen pressten sich auf meinem Mund und Hände wanderten über meinen Körper. Sofort wehrte ich mich und schlug auf den Fremden ein. Ich traf seine empfindliche Stelle und er rollte von mir herunter. Schnell setzte ich mich auf und sah, dass hinter dem Regal mit Töpfen ein Loch war. Dort war der Ausgang. Dieses Loch war nicht groß und inzwischen hatte sich mein Kidnapper wieder aufgerichtet und stand zwischen der Freiheit und mir.

Drehend sprang ich auf und versuchte in das Esszimmer zu flüchten. Doch ein Stoß in meinen Rücken ließ mich vorwärts taumeln und ich stieß hart gegen den Tisch. Dieser kippte lautstark um. Meine Arme, die an die Kanten gestoßen waren, schmerzten. Danach fiel ich kniend auf den Teppich.

Zu meinem Erstaunen bremste der Teppich meinen Fall nicht und ich stürzte durch ihn hindurch. Unter diesem befand sich ein kleiner Höhlentunnel und durch den weichen Teppichboden gedämpft schlug ich nicht allzu hart auf. Am Ende dieses Tunnels konnte ich Tageslicht sehen. Hier war also ebenfalls ein Ausgang. Durch diese beiden Gänge hatte er wohl immer alles aufgefüllt und umgestellt. Hier war meine Freiheit. Schnell krabbelte ich auf allen Vieren den Tunnel entlang. Doch dann griff etwas nach meinem Fuß und zog mich aus dem Tunnel heraus zurück in das Lehmgefängnis.

«Du wirst mir nicht mein glückliches Ende nehmen», schrie er mich an.

Sein Schlag gegen meine Wange war brutal. Es war, als ob meine rechte Schläfe platzte. Einen Moment war ich benommen und kam auf dem Teppich zum Liegen. Sofort fühlte ich einen festen Griff um meinen Hals. Ich merkte, dass mir der Atem wegblieb und meine Ohren brummten. Sein Griff war hart und erbarmungslos. Genau in diesem Moment sah ich ihm in sein Gesicht. Es war vernarbt und sehr kantig. Brandwunden vielleicht. Gurgelnd und strampelnd verlor ich das Bewusstsein. Doch durch das laute Rauschen hörte ich ihn noch sagen: «Du hättest mitspielen sollen.»

Als die Bewohner des kleinen Dorfes die Leiche des Mädchens fanden, waren diese schockiert. In einem gläsernen Sarg lag eine junge Frau mit einem graugrünen Kleid. Es sah aus, als würde sie nur schlafen. Noch genauso schön und rosig lag sie dort. Doch in ihr befand sich kein Leben mehr. Auch in den darauffolgenden zwei Wochen veränderte sich ihr Aussehen nicht.

Daher vermuteten die Bewohner, dass die Stiefmutter Kathreina eine Hexe sei und sie das arme Mädchen verwunschen hatte. Jeder im Dorf hatte die Drohungen gehört, die sie ausgestoßen hatte. Sie beerdigten das lebendig aussehende Mädchen neben ihrem Vater. Am selben Tag wurde ihre Stiefmutter auf dem Scheiterhaufen verbrannt.